In den Jahren nach der Ungarnrevolution von 1956 erkannte die kommunistische Regierung Ungarns, dass dem Volk ein Mindestmass an Wohlstand zugesichert werden muss, um derartige Unruhen in Zukunft vermeiden zu können. Während dem Aufstand kämpften einfache Bürger des Landes erfolgreich gegen die kommunistischen Schergen und konnten letztlich nur durch die militärische Hilfe aus Moskau niedergeschlagen werden. Unter János Kádár (1912 – 1989) wurde die Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung zu einem zentralen Thema. Der im Vergleich zu anderen sozialistischen Ländern entstandene hohe Lebensstandard brachte dieser Form des Staatssozialismus die Bezeichnung «Gulaschkommunismus» ein. Dieser Begriff wird von manchen Nikita Chruschtschow zugeschrieben, der damit angeblich auf die wirtschaftlichen Entwicklungen Ungarns hinweisen wollte. Ein wichtiger Aspekt dieser Variante des Sozialismus bestand darin, dass Privatwirtschaft bis zu einem gewissen Grad gestattet wurde.

Bis in die 70er Jahre war es für Einzelpersonen kaum möglich, grosse Mengen an Kapital anzuhäufen. Obwohl Korruption in dieser Zeit ein allgegenwärtiges Phänomen darstellte, gab es kaum Möglichkeiten, diese im grossen Stil zu gestalten. Markant änderte sich dies erst Mitte der Siebzigerjahre durch eine Sonderform der Privatisierung bzw. Unternehmensform, die als «Gebin» bezeichnet wird, wobei das Wort vom deutschen «Gewinn» abgeleitet wird. Hierdurch entstand praktisch eine Schattenwirtschaft, dank der einige Menschen auf legalem oder halblegalem Weg zu offensichtlichem Reichtum gelangten. Im Wesentlichen bestand das Prinzip des Gebin darin, dass staatliche Geschäftslokale wie Restaurants, Konditoreien, Gemüseläden etc. inklusive Infrastruktur zur Nutzung an private Unternehmer vergeben wurden. Im Gegenzug mussten diese geschäftstüchtigen Personen einen Teil ihres Umsatzes an das Staatsunternehmen abgeben, welches für die Instandhaltung der jeweiligen Lokalität zuständig war. Da es keine strengen Kontrollen gab, war es durch eine geschickte Buchhaltung möglich, beträchtliche Summen am Staat vorbeizuschleusen. So entstanden im sozialistischen Ungarn die ersten grossen Vermögen. Da aber das auf diese Weise zusammengeraffte Geld nicht zur Bank gebracht werden konnte, mussten hohe Bargeldbestände zuhause aufbewahrt werden. Selbstredend, dass dies auch die Aufmerksamkeit zwielichtiger Gestalten erregte.

Das System des Gebin war durch Korruption bestimmt, zumal nicht jeder in den Genuss dieser Möglichkeiten kommen konnte. Meistens waren die Nutzniesser Menschen, die sich in den Augen der Funktionäre der Kommunistischen Partei verdient gemacht hatten. Dies konnten zum Beispiel ehemalige Sportler, fleissige Parteigänger oder einfach nur Leute sein, welche die richtigen Verbindungen hatten. Die intelligenteren Privatunternehmer stellten ihren Wohlstand nicht zur Schau, aber es gab auch Profiteure, die mit ihrem Reichtum herumprotzten. So ist es wenig verwunderlich, dass sich in der Bevölkerung Ungarns gegenüber der «Gebin-Schicht» Hass und Neid entwickelte. Viele waren der Meinung, dass die Gebin-Nehmer ihren Reichtum nicht ihrem Fleiss, sondern ihren Kontakten zu verdanken hatten.

Hierdurch entstand Anfang der Achtzigerjahre eine neue Generation an Verbrechern, die es sich zum Ziel machte, einen beträchtlichen Teil des Vermögens dieser Neureichen an sich zu reissen. Sie bildeten strukturierte Banden aus Einbrechern, Hehlern und sogar Informanten bei Polizei und Geheimdienst. Dies war die Geburtsstunde des organisierten Verbrechens in Ungarn.