Béla Markó stand im Ruf, ein gnadenloser Mensch zu sein. Zeitgenossen beschrieben ihn als jemanden, der zuerst schiesst und erst dann fragt. Doch letztlich verursachte genau dies seinen Tod. Im Jahr 1990 geriet er in einem Lokal in Los Angeles mit Detective Russell Kuster in eine Schiesserei, die für den Polizisten sowie für den Mafioso tödlich endete. Der Stern der ungarischen Mafia war in den USA damals ohnehin schon gesunken.
Dieser Gangster ist für mich darum interessant, weil er im neunten Bezirk von Budapest aufwuchs, wo auch ich einen Teil meiner Kindheit verbrachte. Die Gegend gehört auch heute nicht zu den besten Gegenden der Stadt, galt damals aber als besonders heruntergekommen.
Als Markó 1982 aus Ungarn in die USA flüchtete, galt er in seiner Heimat schon längst als gefürchteter Gangster. Angeblich gehörte er zu den Banditen, die das organisierte Verbrechen in Ungarn etabliert hatten. Zu dieser Zeit hatte er bereits gute Kontakte nach Amerika. Manche behaupten, es hätte damals direkte Aufträge aus Los Angeles gegeben, bestimmte Kunstgegenstände in Ungarn zu rauben. Ab 1981 jedoch, wurde in Ungarn eine eigene Sonderabteilung der Polizei auf Markó & Co. angesetzt, woraufhin einige dieser Schurken aus dem Land flohen.
In Kalifornien angekommen, schloss er sich der hier bereits ansässigen ungarischen Papier-Mafia an. Diese erhielt ihren Namen dadurch, dass sie mit Geschäftsleuten in Verbindung gebracht wurde, die im Papier und Schreibwaren Business tätig waren.
Den Grossteil ihrer Einnahmen generierte die Organisation allerdings durch Versicherungsbetrug, meist in Verbindung mit Privatfahrzeugen. Oft wurden Autos als gestohlen gemeldet, obwohl sie längst auf dem Weg nach Ungarn waren, wo bereits ihre neuen Besitzer auf sie warteten. Interessant ist, dass in der gesamten Kette des Versicherungsbetrugs ausschliesslich Ungarn beteiligt waren. Unter anderem waren der Versicherungsnehmer, der Automonteur und sogar der vertretende Rechtsanwalt Ungarn. Natürlich ist die Frage berechtigt, ob eine derartige Organisation dem Begriff «Mafia» tatsächlich gerecht wird – erschien sie doch im Vergleich zur ebenfalls in Los Angeles ansässigen italienischen Mafia als bedeutungslos. Fairerweise müssen wir aber festhalten, dass die ungarische Bande durch die lokale Presse als solche bezeichnet wurde.
Obschon das Papier-Business an sich legal war, betrieben es die Delinquenten auf eine unlautere Art und Weise, was bei den beteiligten Charakteren auch nicht weiter überrascht. So wurden durch die Hilfename des Telefonbuchs Menschen kontaktiert, um ihnen mitzuteilen, dass im Papeterie Geschäft ein Geschenk auf sie warte, welches sie aber persönlich abholen müssten. Einmal im Laden, wurde aber auf den Kunden so aufdringlich eingeredet, bis er zum vielfachen Preis des Geschenkes Waren einkaufte.
Als Gehirn der Organisation galt Csaba Simon, während Istvàn Szendrő die Rolle des harten Jungen einnahm. Letzterer war zweifellos ein harter Junge, aber nicht hart genug. Während einer Meinungsverschiedenheit an einer Hausparty wurde er nämlich von jenem Béla Markó erschossen. Dieser kam allerdings ungeschoren aus der Geschichte, da er sich angeblich nur verteidigte.
Das wohl berühmteste Opfer der Papier-Mafia war der ehemalige LGT Gitarrist Tamás Barta (Foto). Er wanderte Ende der 70er Jahre von Ungarn in die USA aus, konnte dort aber nie richtig Fuss fassen. So geriet er in Geschäfte mit der ungarischen Mafia in Los Angeles. Man weiss bis heute nicht genau, warum er 1982 erschossen wurde. Manche behaupten, er hätte eine Namensliste gestohlen, mit der er die Organisation erpressen wollte. Andere vermuten eine Drogengeschichte als Hintergrund. Die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren.
Als es Ende der 80er Jahre zum politischen Systemwechsel in Ungarn kam, kehrten viele Mafiosi aus Los Angeles zurück in die Heimat. Manche blieben im “Beruf“, andere versuchten ihr Glück im Ölbleichen. Letzteres galt damals in Ungarn als das bedeutendste illegale Geschäft.
Die Geschichte dieser Generation des organisierten Verbrechens endete im ungarischen Mafia-Krieg der 90er Jahre. Damals kam es in Budapest zu mehreren Anschlägen und Explosionen. Als auch unbeteiligte Opfer zu beklagen waren, griff der Staat ein und räumte endlich auf.
Bildquelle: Fortepan
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