Pista Pipás kam im Jahr 1882 als Frau mit dem Namen Viktória Fődi zur Welt. Später lebte sie als Mann und wurde als Auftragsmörderin zu einer mythischen Figur, um die sich bis heute – zum Teil widersprechende – Legenden ranken.

Frühe Jahre

Viktória Fődi wurde in der kleinen Gemeinde Öttömös nahe Szeged geboren. Ihr Vater, ein Alkoholiker, schlug die bitterarme Familie regelmässig. Wegen drückenden Schulden musste Viktória schon im zarten Alter von 13 Jahren bei einer fremden Familie als Dienerin arbeiten. Andere Quellen behaupten, das Mädchen wurde an einen Bauern als Kuhhirtin verdingt. Angeblich vergewaltigte sie dieser Landwirt immer wieder und Gerüchten zufolge wurde sie sogar von ihm schwanger. Der Legende nach gewöhnte sie sich in diesem Dienst das Pfeife rauchen an, wodurch sie zu ihrem Spitznamen «Pipás» kam (Anmerkung: Pipa bedeutet auf Ungarisch Pfeife). Um einem Skandal zu vermeiden, verheiratete der Bauer die mittlerweile 19jährige Viktória mit dem im Ort lebenden Pál Rieger. Dieser war ein wohlhabender Mann, allerdings 27 Jahre älter als sie. Von ihm bekam sie weitere fünf Kinder, wovon aber nur eins überlebte. Rieger war, wie schon ihr Vater, gewalttätig und wurde seiner Frau gegenüber immer wieder tätlich. Im Jahr 1910 wurde die Ehe von einem Gericht rechtskräftig aufgelöst. Über das Schicksal des gemeinsamen Kindes ist nichts bekannt.

Leben als Mann

Später erbte Viktória von ihren Grosseltern einen Hof, auf dem sie einsam lebte. Zu dieser Zeit nahm sie bereits die Identität eines Mannes an und trug den Namen Pista Pipás. Wegen ihrer kräftigen Statur und grosser Kraft war sie in der Gegend berüchtigt. Die Legende besagt, dass sie in der örtlichen Schenke einen eigenen Tisch hatte und Männer mit nur einer Hand zu Boden schmettern konnte. Die Landwirte der Umgebung stellten sie wegen ihrer enormen Strapazierfähigkeit gerne als Tagelöhnerin an und sagten über sie, dass sie doppelt so viel arbeiten konnte wie andere. Der Grund für die Geschlechtsänderung ist weitgehend unbekannt. Einmal sagte sie, dass sie sich dadurch einen höheren Tageslohn erhoffte.

Die Auftragsmorde

Als Auftragskillerin mordete sie meist mit dem Seil. Sie erhängte ihre Opfer, was dann meist für einen Selbstmord gehalten wurde. Für den ersten Mord wurde sie von einer Frau Pampuska angeheuert. Pipás sollte für sie ihren Schwager Antal Dobák töten, da dieser seiner Frau im Weg stand. Nach diesem Auftrag folgten viele weitere, vermutlich etwa zwanzig. Beweisen konnte man ihr davon aber nur zwei, und zwar die an Antal Dobák und Pál Börcsök.

Für die Morde erhielt Pista Pipás als Lohn Getränke, Lebensmittel oder kleinere Geldbeträge. Die Auftraggeberinnen waren meist Frauen, die sich während dem Ersten Weltkrieg allein durchschlagen mussten und nun nichts mehr mit ihren heimgekehrten Männern zu tun haben mochten. Wer den Mann loswerden wollte, suchte Pista Pipás auf. Pipás half wiederum gerne, da sie Männer mittlerweile selbst hasste.

Im Jahr 1932 traf bei der Staatsanwaltschaft in Szeged ein anonymer Brief ein, dessen Schreiber erklärte, dass all die vermeintlichen Selbstmorde der Gegend in Wahrheit keine Suizide, sondern Morde seien. Der Inhalt des Briefs wurde auch durch die Aussage eines Verwandten des getöteten Antal Domák gestützt, wonach dieser im Auftrag seiner eigenen Verwandtschaft im Tausch gegen 100 Liter Wein und zwei Schafen ermordet wurde.

Pipás kam schnell unter Verdacht und war zuerst geständig, übernahm aber später von den beiden ihr nachweisbaren Morden nur die Verantwortung für den Mord an Börcsök. Während den Ermittlungen wurden mehrere Leichen exhumiert. Es stellte sich heraus, dass die Männer im Sitzen erdrosselt wurden, erst danach wurden sie aufgehängt, um es als Suizid aussehen zu lassen.

Gefängnis und Tod

Das Gericht verurteilte nicht nur Pista Pipás, sondern auch mehrere Auftraggeberinnen zu hohen Strafen. Frau Dobák erhielt lebenslänglich, Frau Börcsök 15 Jahre, weitere Beteiligte zwischen zwei und 15 Jahren. Pipás war übrigens der Meinung, dass die Schuld eher bei den Auftraggeberinnen lag als bei ihr, da sie ja nichts von den Morden hatte, während die anderen einen Nutzen daraus zogen.
Im Januar 1933 wurde Pista Pipás zum Tode verurteilt, aber später vom ungarischen Regenten Miklós Horthy begnadigt. Pipás starb 1940 im Budapester Gefängnis.

Pista Pipás ging als Mann ins Zuchthaus. Angeblich benutzte sie hierfür die Papiere ihres Ex-Mannes Pál Rieger. Hinter den Mauern wollte sich Pipás jedoch nicht waschen oder die Kleider wechseln. Sie behauptete, dass sie sich durch die Berührung mit Wasser wie eine Schlange häutete. Irgendwann beklagten sich aber die anderen Insassen wegen ihrem unerträglichen Gestank, wodurch es zu einer ärztlichen Untersuchung kam, bei der sich ihr wahres Geschlecht herausstellte. Manche Quellen zweifeln diese Version der Geschichte an, zumal es in ihrem Wohnort bekannt gewesen sei, dass Pipás eigentlich eine Frau war.

Aus meiner Sicht gehört die Geschichte von Pipás Pista zu den interessantesten Kriminalfällen überhaupt. Die Entscheidung, ob die geborene Viktória Fődi zur LGTBQ Community zählt, überlasse ich dem Leser.

Foto: links als Pista Pipás, rechts als Viktória Fődi

Quellen:
Pipás Pista, a valójában férfiként élő bérgyilkosnő elképesztő élete – Terasz | Femina
Pipás Pista – Wikipédia (wikipedia.org)