Sándor Rózsa ist der berühmteste Bandit der ungarischen Geschichte. Insbesondere politisch rechte Gruppierungen unternehmen immer wieder Versuche, ihn als einen Volkshelden im Stile eines Robin Hoods oder Rinaldo Rinaldinis zu etablieren. Aber konnte Rózsa dieser Rolle jemals gerecht werden? Unter anderem wollen wir heute dieser Frage nachgehen. Auf jeden Fall ist er als historische Figur bis heute sehr beliebt und in der Populärkultur immer noch präsent.

Ein berühmter Vorfahre

Die wenigsten wissen, dass Sándor ein Nachfahre von Dániel Rózsa ist, der im Jahr 1728 im Szegediner Hexenprozess verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Dániel Rózsa war bis dahin ein sehr erfolgreicher Mann, der es vom Schafhirten bis zu einem der wohlhabendsten Männer der Stadt geschafft hatte. Zeitweise war er sogar der Oberrichter der Stadt Szeged. In der Vorstellung der umgebenden Bevölkerung organisierte der Teufel die Hexen des Umlandes als regelrechte Armee, an ihrer Spitze Dániel Rózsa als ihr Anführer. Dieser hätte ohnehin regelmässig zusammen mit dem Leibhaftigen gegessen und getrunken. Heutige Historiker halten es für wahrscheinlich, dass sozialer Neid zur Verurteilung des bereits vergreisten Mannes führte.

Leben als Betyár

Das 19. Jahrhundert war in Ungarn die grosse Zeit der Wegelagerer, der sogenannten Betyáren. Der bekannteste unter ihnen war allerdings Sándor Rózsa (1813 – 1878). Sándor wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. Seinen Vater verlor er schon früh, denn dieser wurde wegen Pferdediebstahls erhängt. Sein erstes Verbrechen beging Sándor im Alter von 23 Jahren, als er in der Nähe von Kiskunhalas zwei Kühe stahl. Hierfür kam er in das Gefängnis von Szeged, aus dem er aber ausbrechen konnte. Nach diesem Ausbruch begann seine legendäre Laufbahn als Betyár, um dessen Leben sich viele Abenteuergeschichten ranken.

Rózsa war über Jahre hinweg auf der Flucht und versteckte sich in den endlosen Weiten der ungarischen Puszta. Insgesamt wurden ihm 60 Verbrechen zur Last gelegt. Er tötete 30 Menschen und raubte viele Siedlungen aus. Im Jahr 1848 wurde ihm Amnestie gewährt, da er während der Revolution die ungarische Armee unterstützte. Sándor Rózsa befehligte in dieser Zeit 150 bewaffnete Reiter. Nach der Niederschlagung der Ungarnrevolution wollten kaiserliche Kräfte seiner habhaft werden, doch er vermochte wieder zu fliehen. Für ihn fing wieder eine Zeit des Lebens im Verborgenen an. Da er verdächtigt wurde, eine weitere Revolution zu planen, wurde auf seinen Kopf die ungewöhnlich hohe Belohnung von 10’000 Silberforint ausgelobt. Sándor Rózsa war wegen seiner Teilnahme am ungarischen Freiheitskampf gegen die Herrschaft Österreichs mittlerweile im Volk sehr beliebt und das Militär konnte ihn über viele Jahre hinweg nicht fangen. Leider aber wurde er 1857 von seinem Kameraden Pál Katona verraten.

Tot oder lebendig: Belohnung von 10’000 Silberforint für die Ergreifung von Sándor Rózsa

Wegen seiner Teilnahme an der Ungarnrevolution wurde er ursprünglich zum Tode verurteilt, aber da man ihn nicht zum Märtyrer machen wollte, bekam er letztlich nur lebenslänglich. Er war zu dieser Zeit so berüchtigt, dass man ihn in Kufstein, wo er einen Teil seiner Strafe absass, jeden Sonntag gegen Entgelt anschauen durfte. 1868 wurde er im Zuge einer weiteren Amnestie aus dem Gefängnis entlassen.

Nachdem er sich vergeblich als Pandúr (Anm: militärische Polizeitruppe) bewarb, schloss er sich der Bande von Ferenc Csonka an. Bald begann aber die kaiserliche Armee durch eine grossangelegte Aktion mit der Ausmerzung der ungarischen Betyárenwelt. So kam Sándor Rózsa wieder ins Gefängnis und wurde erneut zu lebenslanger Haft verurteilt. Er kam am 22. November des Jahres 1878 im Zuchthaus von Szamosújvár durch Tuberkulose ums Leben.

Schlussfolgerung

Zeitzeugen beschrieben Sándor Rózsa als einen Betyár, der nur von Reichen stahl, aber gegenüber den Armen sehr grosszügig war. Auch teilte er die Beute unter sich und seinen Gesellen gerecht auf und nahm nie einen grösseren Anteil für sich. Wenn die Familie einer seiner Weggefährten in Schwierigkeiten kam, unterstütze er sie gerne. Somit können wir die eingangs gestellte Frage beantworten, dass Sándor Rózsa durchaus als Volksheld betrachtet werden kann, der mit Robin Hood oder Rinaldo Rinaldini vergleichbar ist. Trotzdem müssen wir festhalten, dass Rózsa nach seinen eigenen Gesetzen lebte und Menschen gnadenlos tötete, wenn sie es seiner Meinung nach verdienten.

Cover eines Groschenromans über die Abenteuer des Sándor Rózsa

Sándor Rózsa in der Populärkultur

Rózsa ist in der ungarischen Populärkultur bis heute sehr beliebt. Es wurden im Laufe der Jahrzehnte viele Bücher über ihn geschrieben. Sein Name taucht in mehreren Liedern und Balladen auf. Im Jahr 1971 produzierte das ungarische Fernsehen sogar eine 12-teilige Fernsehserie über seine Abenteuer.

Ausschnitt aus der Serie Sándor Rózsa (Ungarisch)

Quellen:

belvedere_1999_005_006_021-027.pdf (u-szeged.hu)

Rózsa Sándor (Szeged, 1813–Szamosújvár, 1878) | Magyar néprajzi lexikon | Kézikönyvtár (arcanum.com)

Szegeden boszorkánymérlegre állítják, aztán borzalmas börtönbe vezetik a látogatót – Kegyetlen korról mesél az új kiállítás | 168.hu

Rózsa Sándor kalandos élete és törvénytelenségei – YouTube

Rózsa Sándor (betyár) – Wikipédia (wikipedia.org)

Szegedi nagy boszorkányper – Wikipédia (wikipedia.org)