Am 1. November des Jahres 1996 wollte der wohlhabende Geschäftsmann und berüchtigte Unterweltgrösse József Prisztás in der Budapester Ladik Strasse gerade in seinen Geländewagen einsteigen, als ein Fahrradfahrer auftauchte. Dieser zog plötzlich eine Schusswaffe und liquidierte Prisztás durch einen einzigen Schuss in den Kopf. Die öffentliche Meinung hält diesen Auftragsmord bis heute für den blutigen Auftakt zum ungarischen Mafia-Krieg der 1990-er Jahre. Um das Verbrechen ranken sich immer noch manche Mysterien, auf die wir in diesem Artikel einzugehen versuchen.

József Prisztás – die Person

Prisztás gehörte in den 90er Jahren zu den bestimmenden Persönlichkeiten des Budapester Nachtlebens. Das Privatvermögen des schwerreichen Grossunternehmers betrug zur Zeit seines Ablebens mehrere Milliarden Forint. Sein Geld verdiente er hauptsächlich durch Immobiliengeschäfte und Wucherkredite. Er verfügte über ein unerschütterliches Selbstbewusstsein, wodurch er im Gegensatz zu anderen führenden Personen des organisierten Verbrechens keine Leibwächter beschäftigte. József Prisztás hielt sich für so wichtig, dass er davon ausging, niemand würde es jemals wagen, ihn anzugreifen. Als er einmal mit ukrainischen Gangstern in einen ernsthaften Konflikt geriet, weil sie eine immense Summe von ihm verlangten, fragte ihn einer seiner Freunde, der berühmte Wasserballprofi György Kárpáti, ob es nicht besser wäre, wenn er einen Bodyguard neben sich wüsste. Prisztás antwortete hochmütig: «Ich bin der Józsi Prisztás, für was brauche ich einen Leibwächter?» Auch am Tag seiner Hinrichtung hatte er keinen Bodyguard bei sich.

Hintergrund des Auftragsmordes

Anhand der Anklageschrift erscheint es als wahrscheinlich, dass im Hintergrund des Mordes die Pläne des als «Banker der Unterwelt» zu zweifelhaftem Ruhm gelangten András Lakatos standen. Lakatos wollte damals eine eigene Bank gründen, um die Geschäfte des organisierten Verbrechens einfacher abwickeln zu können. In diesem Zusammenhang nahm der hauptsächlich unter seinem Spitznamen «Kis Bandi» (deutsch: Kleiner Bandi) bekannte Lakatos bei Prisztás wie auch bei Tamás Portik je einen grossen Kredit auf. Hierbei ist immer wieder die Rede von 300 Millionen Forint. Lakatos hinterlegte aber bei beiden Geldgebern dieselben drei Immobilien als Sicherheit. Als die Pläne der Bankgründung allerdings scheiterten, verliess er mit dem Geld Ungarn in Richtung Südamerika. Prisztás liess daraufhin Portik ausrichten, dass er auf jeden Fall zwei der Immobilien beanspruche, Tamás Portik könnte lediglich die dritte erhalten. Da hatte sich Prisztás aber mit dem falschen angelegt, denn Portik war bis zu seiner Verhaftung der skrupelloseste und blutrünstigste Mafia-Boss der ungarischen Kriminalgeschichte.

Hinterhalt, Ausführung und Verhaftung  

Tamás Portik überredete Ferenc Fazekas, einen guten Freund und Mitarbeiter von Prisztás, diesen in einen Hinterhalt zu locken. Es wird vermutet, dass Fazekas hierzu einwilligte, weil er seinem Chef József Prisztás eine grosse Geldsumme schuldete. Auf jeden Fall war Fazekas am Tatort, als Prisztás erschossen wurde. Allerdings warf er sich sofort zu Boden, als der Killer das Attentat verübte. Die Mutter des Opfers sagt dazu in einem Interview: «Ich wusste sofort nach dem Mord, dass dieser Mensch meinen Sohn in eine Falle lockte. Ich war im Krankenhaus, als sie Józsi umbrachten. Als ich von dort rauskam, ging ich in die Ladik Strasse, in dieses Immobilienmaklerbüro, wo Józsi mit diesem Ferenc F. gewesen war. Ich schritt den Weg entlang, den die beiden gemeinsam zu Józsis Auto gingen. Da wurde mir bewusst, dass Ferenc F. wusste, dass mein Sohn umgebracht wird. Darum warf er sich auf den Bauch, als der Mörder schoss, so konnte er am Leben bleiben».  

Fazekas beschrieb den Attentäter als einen Mann mit durchschnittlicher Körperstatur. Dem zweiten Augenzeugen András D., der in der Nähe arbeitete, fiel unmittelbar vor dem Mord ein auffallend bleicher Mann auf, wenig später hörte er einen Knall und dann Ferenc Fazekas schreien: «Sie haben meinen Kollegen erschossen!» Auch er beschreibt den Täter als durchschnittlich gebaut mit ausdrücklich kleiner Körpergrösse. Sein Alter schätzte er auf ungefähr 30 Jahre. Auf dem Kopf trug er eine schwarze Mütze oder Kapuze. Er soll mit dem Fahrrad geflüchtet sein. Der Zeuge András D. lebt mittlerweile nicht mehr.

Trotzdem wird später der persönliche Assistent von Prisztás verhaftet, obwohl dieser bis heute vehement bestreitet, etwas mit dem Mord zu tun zu haben. István Hatvani, auch unter seinem Spitznamen Hatyi bekannt, wird aber lediglich durch die Sekräterin des Opfers schwer belastet. Diese wurde jedoch bereits während der Verhandlung eines früheren Mordfalls von einem anderen Gericht als unglaubwürdig beschrieben. Hatvani wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, obwohl er mit seiner hünenhaften Gestalt und einem Gewicht von 140 kg überhaupt nicht zu der Täterbeschreibung der beiden Zeugen passt. Das Gericht wirft Ferenc Fazekas vor, absichtlich eine falsche Beschreibung abgegeben zu haben, um die Justiz in die Irre zu führen. Im Jahr 2016 wurden István Hatvani als Täter und Tamás Portik als Auftraggeber beide zu jeweils 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Interessante Wendung im Fall Prisztás

Im Jahr 2018 gab der bereits für andere Morde im Gefängnis sitzende slowakische Auftragsmörder Jozef Roháč im Fall Prisztás ein Geständnis ab. Angeblich hätte er selbst Prisztás ermordet und Hatvani sitze unschuldig im Gefängnis. Roháč arbeitete regelmässig für Portik und war als Mann für das Grobe bekannt. In diesem Fall sei aber nicht Tamás Portik der Auftraggeber gewesen, sondern die ukrainisch-russische Mafia, welche den Auftrag durch den mittlerweile verstorbenen Jozef Hamala, eine bekannte Figur der slowakischen Unterwelt, überbringen liess. Auffallend ist aber, dass Roháč mehrere Falschangaben macht, was den Tathergang anbelangt. Er begründet dies damit, dass die Tat mittlerweile viele Jahre her ist und er sich nicht mehr genau erinnern kann. Das Gericht wirft auch ihm vor, die Justiz täuschen zu wollen und weigert sich, den Fall neu aufzurollen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich Hatvani und Roháč gemäss heutigem Wissenstand nicht gekannt haben. Die durch die Zeugen gemachten Täterbeschreibungen würden auch sehr gut zum kleinen und schmalen Roháč passen.

Hatvani kämpft weiterhin für seine Freiheit und ich selbst vermute, das letzte Wort wurde im Fall Prisztás noch nicht gesprochen.

Was geschah mit Prisztás’ Erbe?

Ein weiterer interessanter Aspekt des Falles ist der Verbleib des Prisztás-Vermögens. Die Hinterlassenschaft bestand hauptsächlich aus einem Immobilienportfolio dessen Wert damals auf zwei bis drei Milliarden Forint geschätzt wurde. Darüber hinaus dürfte Prisztás zusätzlich über eine grosse Summe Bargeld verfügt haben, da er auch im Kreditgeschäft unterwegs war.

Ágnes Prisztás, die Tochter des ermordeten József erzählt, dass der einstige engste Vertraute und beste Freund ihres Vaters nach dem Mord mit dessen früheren Lebensgefährtin zu einem Liebespaar wurden. Gemeinsam hätten sie die Tochter von Prisztás betrogen und das Milliardenvermögen landete bei den beiden, während Ágnes lediglich mit einem Kleingeld abgespeist wurde. Das Paar überredete die junge Frau, die bei der Ermordung ihres Vaters nur 18 Jahre alt war, auf das Erbe zu verzichten, da dieses mit hohen Schulden belastet sei. Wie immens das Vermögen ihres Vaters wirklich war, erfuhr sie erst viel später während der Gerichtsverhandlung. Sie hofft nun auf Schadenersatz.

Razzia TV: Exklusives Interview mit István “Hatyi” Hatvani im Gefängnis (ungarisch)

Quellen:

Kékfény – Prisztás-gyilkosság (2019.03.11.) – YouTube

Ki is volt a bűnöző Prisztás József? (origo.hu)

Index – Belföld – Roháč bevallotta, hogy ő ölte meg Prisztást

Ki ölte meg Prisztás Józsefet? Exkluzív interjú Hatvani István Hatyival, egyenesen a börtönből. – YouTube

Index – Belföld – Tíz érdekes tény a Prisztás-gyilkosságról

Prisztás-gyilkosság – Wikipédia (wikipedia.org)

Ennyi pénzt remél Prisztás gyilkosától a lánya – Ripost