Er reitet wie der Wind über die ungarische Puszta. Über ihm der leuchtend blaue Himmel, unter ihm das saftige Gras der hortobágyer Steppe. Bandi Angyal freut sich, denn er weiss, seine Geliebte wartet bereits auf ihn. Als bekanntester Bandit des Landes erfreut er sich bei Frauen grosser Beliebtheit und wird von vielen Männern verehrt. Er wirkt vornehm und ist gutaussehend, ausserdem ist er mutig und überdurchschnittlich gebildet. Doch all das kommt nicht von ungefähr, denn der Betyár Bandi Angyal heisst in Wirklichkeit András Ónody und ist der Sohn reicher Adeligen. Die weitreichenden Ländereien seiner Eltern gehören im Komitat Borschod zu den grössten.

Wir schreiben das Jahr 1787, als der siebenundzwanzigjährige Bandi Angyal das Haus seiner Geliebten betritt. Zu dieser Zeit ist er bereits seit sieben Jahren ein ungarischer Bandit, ein sogenannter Betyár. Seinen bürgerlichen Namen András Ónody hat er längst abgelegt und nennt sich jetzt ironischerweise Angyal, was auf Deutsch Engel bedeutet. Er verliess seine schwerreichen adeligen Eltern damals, weil sie ihn standesgemäss verheiraten wollten. Doch András lehnte jene Aristokratin ab, denn sein Herz schlug schon für eine andere, und zwar für eine junge Bäuerin aus einfachen Verhältnissen. Diese Frau gab ihm nicht nur den Namen Angyal, sondern gebar ihm später auch einen Sohn.

Hortobágyer Ziehbrunnen

Für das Volk ist er mittlerweile zur Legende geworden und viele Geschichten ranken sich um ihn. Man munkelt, er würde das gestohlene Vieh jahrelang an geheimen Orten verstecken, bis er es verkauft, damit die ursprünglichen Besitzer die Tiere nicht mehr erkennen können. Anfänglich hätte er die Diebstähle anderen überlassen und sich lediglich um den Weiterverkauf gekümmert, bis er dann selbst zum berüchtigten Räuber wurde. Seine bekanntesten Taten waren die Zerstörung der Märkte in Karcag und Mezötúr.

An Bandi Angyal

Wer keinen Freund im Himmel hat,
Sucht Zuflucht vielleicht in der Hölle:
Also sei nicht traurig, Kamerad Bandi,
Es wird eine Herberge geben,
Wenn Petrus dich nicht aufnimmt,
Dann bei Satan.

Gedicht von MihÁly VÖrÖsmarty, 1822 (Übersetzung)

Kaum betritt Bandi das einfache Zimmer, rennen ihm Frau und Kind freudig entgegen. Die drei umarmen sich herzlich. Der Betyár war ein paar Wochen lang unterwegs, die Panduren ihm dicht auf den Fersen. Diesmal hatte er Mühe, die Soldaten abzuschütteln. Unter keinen Umständen dürfen seine Verfolger erfahren, wo seine Familie lebt. Doch Bandi Angyal kommt auch diesmal nicht mit leeren Händen nachhause. Stolz wirft er einen prallgefüllten Beutel auf den massiven Holztisch, und seine Frau hört, wie die Goldmünzen darin klimpern. Sie schmiegt sich noch ein bisschen enger an Bandi, der zufrieden schmunzelt. Doch auch der kleine Junge geht nicht leer aus. Der liebevolle Vater kramt in seiner Tasche und nimmt ein kleines Geschenk hervor: einen kunstvoll geformten Zinnsoldaten. Sein Sohn jauchzt vor Freude. Aber plötzlich poltert es heftig an der Tür und die Familie zuckt erschrocken zusammen. Ein Blick aus dem Fenster bestätigt, was die drei bereits befürchten. Das Haus ist umstellt und Bandi Angyal hat keine Chance, zu entkommen. Die Panduren fesseln Bandi und führen ihn ab. Der berühmte Verbrecher wird in das Gefängnis der Stadt Gönc gebracht.

Ein Csikós (ungarischer Pferdehirt) auf Hortobágy

Die Stadt Gönc entdeckte ihn:
Ergreift ihn! Ergreift ihn!
Da fing Bandi Angyal an,
zu staunen, zu staunen.

Auszug aus der Ballade Bandi Angyal (übersetzung)

So oder ähnlich hätte jener Tag im Jahr 1787 ablaufen können, als Bandi Angyal das erste Mal gefangen genommen wurde. Allerdings befindet sich die Stadt Gönc ziemlich weit nördlich von der Puszta Hortobágy entfernt. Andere Quellen behaupten, Ónody hätte den Namen Angyal erst viel später angenommen. Fakt ist aber, dass er in jenem Jahr wegen dem Vorwurf verhaftet wurde, er hätte vier Pferde gestohlen. Als ein Jahr später das Urteil über ihn gefällt wurde, musste er sich für insgesamt 12 Verbrechen rechtfertigen. Obwohl ihm das Gericht davon nur drei nachweise konnte, wurde er zu insgesamt acht Jahren Zuchthaus mit zusätzlicher Zwangsarbeit verurteilt. Nach einem Gnadengesuch wurde seine Strafe aber auf zwei Jahre gemindert, und seine einflussreiche Mutter konnte erreichen, dass ihm weitere sieben Monate erlassen wurden. Gerüchten zufolge wurden durch die guten Beziehungen seiner vornehmen Familie ohnehin viele seiner Untaten vertuscht. Im Gefängnis schrieb Angyal seine «Apologie», in der er seine Taten erklärte und zu rechtfertigen versuchte.

Lebkuchenform in der Gestalt von Bandi Angyal

Obwohl Bandi Angyal im Jahr 1799 erneut zu mehreren Jahren verurteilt wurde, konnte er sich der Vollstreckung erfolgreich entziehen. Angyal tauchte unter und wurde trotz intensiver Suche nie mehr gefasst. Er starb 1806 an einem Abszess.

In der ungarischen Geschichte gilt Bandi Angyal bis heute als der am frühesten bekannte Betyár. Sein Leben inspirierte den bekannten ungarischen Schriftsteller Mór Jókai zur 1857 erschienenen Novelle “A népdalok höse” (deutsch: Der Held der Volkslieder).

Ungarisches Volkslied über Bandi Angyal

Quellen:

ANGYAL BANDI | Szöveggyűjtemény | Reference Library (arcanum.com)

Angyal Bandi, Ónody András (1760?–1806) | Magyar néprajzi lexikon | Reference Library (arcanum.com)

Vörösmarty Mihály: ANGYAL BANDIHOZ | Verstár – ötven költő összes verse | Reference Library (arcanum.com)

Betyár-romantika. | Borovszky Samu: Magyarország vármegyéi és városai | Reference Library (arcanum.com)

Angyal Bandi – Wikipédia (wikipedia.org)