Nachdem sein Kurier am Montag angegriffen wurde, entschied sich der Besitzer einer Imbissbude im ungarischen Lajosmizse, bestimmte Strassen nicht mehr zu beliefern. Er sagt, das Wohlergehen seiner Mitarbeiter sei ihm wichtiger. Auf seiner Facebookseite veröffentlicht er eine Liste mit sieben Strassen. Gemäss Anwohner wird die Gegend von Drogen beherrscht. Der landesweite Aufschrei ist gross.

Seit kurzem ist folgendes Schreiben auf der Facebookseite des Gastrobetriebes Club 75 Büfé aus Lajosmizse zu lesen:

Liebe Gäste!

Nach den gestrigen Geschehnissen werden wir ab heute folgende Strassen nicht mehr beliefern!

  • Telepi Strasse
  • Szív Strasse
  • Orgona Strasse
  • Bene Szél Strasse
  • Dankó Pista Strasse
  • Fülemüle Strasse
  • Bene Siedlung (Umgebung der Telepi Strasse)

Die körperliche Unversehrtheit unserer Kuriere ist mehr wert als alles andere!

Wir möchten uns bei denen entschuldigen, die in diesen Strassen wohnen, aber nichts dafürkönnen!

Wir stellen Ihre Bestellung gerne bereit, wenn Sie sie im Lokal persönlich abholen!

Freundliche Grüsse: Die Geschäftsleitung

29.08.2023

Originalschreiben auf der Facebookseite des Gastrobetriebs Club 75

Leider wurde unser Fahrer verletzt und ausgeraubt. Es war nicht das erste Mal, dass unsere Kuriere in dieser Gegend angegriffen wurden. Dies war das Tüpfelchen auf dem i, darum haben wir uns so entschieden.

Die Geschäftsführung Club 75

Am Mittwoch erfuhren die Journalisten des Nachrichtenportals Blikk.hu vom Eigentümer des Imbisses, dass es dem verletzten Kurier mittlerweile gut geht. Ausserdem erzählte er: «Sein Angreifer wollte ihm sein Handy rauben und schlug ihm mit dem Ellbogen gegen den Kopf. Die Geldbörse, in der sich sehr viel Geld befand, konnte ihm der Täter erfolgreich abnehmen. Unsere Kuriere steigen in jener Gegend schon lange nicht mehr aus dem Wagen, sondern reichen das Essen durch das Fenster hinaus. Auch der Angriff erfolgte just in diesem Moment. Der Gastbetrieb existiert seit Jahrzehnten, einmal wurde sogar eingebrochen, aber die Angestellten werden regelmässig belästigt».

Ein Gast des Lokals warnte die Journalisten: «Ich rate Euch, nicht dorthin zu gehen. Sie werden Euren Wagen mit Steinen bewerfen, im schlimmeren Fall sogar einschlagen. Sicher gibt es überall Probleme, aber hier ist die Droge mit dem Namen «Kristall» die Ursache für alles. Übrigens kann ich die Entscheidung des Inhabers verstehen, auch ich würde nicht gerne dorthin gehen».

Die Mitarbeiter des Blikk fuhren danach zur hauptsächlich von Sinti und Roma bewohnten Telepi Strasse, wo gemäss ihren Informationen der hinterhältige Angriff stattfand. Sie besuchten auch das Haus, zu dem jener Kurier bestellt wurde. Die Strasse ist hier nicht mehr asphaltiert, überall herrscht Elend: zerfallende Hauswände und verwahrloste Gärten. Eine Frau mittleren Alters trat zum Eingangstor und beklagte sich: «Es ist empörend, dass unsere Nachbarn so etwas tun. Das verurteilen wir absolut. Früher brachen sie auch bei uns ein und nahmen ein paar Dinge mit, aber wir können nicht ständig in Angst leben. Ab und an haben wir auch vom Imbiss bestellt, aber jetzt müssen wir uns an die veränderte Situation anpassen». Die Reporter sprachen auch mit anderen Anwohnern. Diese berichteten ebenfalls, dass Drogenkonsum und Diebstähle in der Gegend an der Tagesordnung sind.

Ebenfalls in Lajosmizse: Vor vier Jahren nahm die Polizei einen Autodieb fest

Die Journalisten sprachen auch mit dem massig gebauten János, der ebenfalls in einer No-Go-Strasse lebt. Er hat zwar keine gute Meinung über die Bewohner der Gegend, ist aber mit der Entscheidung des Gastrolokals auch nicht einverstanden. Gegenüber Blikk erzählte er: «Kürzlich wurde ich gebeten, hier für Ordnung zu sorgen. Ich verprügelte auch ein-zwei Typen, kam aber fast selbst in Bedrängnis. Mit nur leichter Übertreibung kann gesagt werden, dass hier in fast jedem dritten Haus Drogen verkauft werden. Ich habe immer einen Gas Spray bei mir und einen Schlagring in der Hand, nur jetzt habe ich sie nicht mitgebracht. Auf diesem Abschnitt bewege ich mich nur mit Waffen, denn man wird sogar für 500 Forint (ca. EUR 1,30) niedergeschlagen. Obwohl ich lange geboxt habe, bin ich gegen drei-vier Leute und Waffen machtlos».

Zsolt, ein anderer junger Roma der Gegend, verurteilt zwar die Gewalt auch, empfindet die Entscheidung des Gastrobetriebs aber als Diskriminierung und sogar als Rassismus. Seiner Meinung nach sollte man nur konkret jene Personen nicht mehr beliefern, mit denen es Probleme gab.  

Auch in Budapest gibt es inoffizielle No-Go-Zonen. So fahren Taxi-Chauffeure zum Beispiel nicht mehr in bestimmte runtergekommene Gebiete des VIII. oder X. Bezirks, da es dort mehrmals vorkam, dass Fahrgäste nicht bezahlten. Insbesondere in der Gegend der Bihari Strasse können Delinquenten schnell im Labyrinth der riesigen Wohnblocke spurlos verschwinden.

Die positiven Seiten von Lajosmizse (Propagandavideo)

Quellen:

Bemerészkedtünk a lajosmizsei „no-go zónába” – helyszíni riport – Blikk

Kuruc.info – “Akár 500 forintért is leütnek” – de rasszizmus, ha nem viszik ki az életveszélyes utcákba az ételt

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Foto: Symbolbild von Pixabay