Sie gehörten in den 80er Jahren zu den angesagtesten Gangstern der ungarischen Hauptstadt. Beide hatten mittlerweile ihr eigenes Gebiet erobert und jeweils eine schlagkräftige Bande aufgebaut. Doch die zwei Konkurrenten hassten einander und ein direkter Kampf schien unvermeidlich. Die Auseinandersetzung jener Nacht endete aber so brutal und blutig, dass selbst die Unterwelt schockiert war.
Die Budapester Unterwelt war in 1980er Jahren unter den härtesten Jungs ihrer Zeit aufgeteilt. Es handelte sich hierbei um Bandenchefs, die meistens aus dem Sinti und Roma Milieu stammten. Die verschiedenen Bezirke oder Quartiere wie Josefstadt, Neu-Pest oder Engelsfeld hatten so ihre eigenen Bosse, die wiederum ihre jeweiligen Truppen befehligten. Trotz aller Härte, waren aber damals Waffen ungebräuchlich. Konflikte trug man lediglich mit den Fäusten aus. Es gehörte zu den ungeschriebenen Gesetzen dieser Kreise, dass man sich nicht in fremde Gebiete einmischte. Aber auch hier gab es keine Regel ohne Ausnahme.
Bandi Laczkó galt in den 80er Jahren als einer der härtesten Gangster in Budapest. Der aus einer Roma Familie stammende Laczkó beherrschte damals einen Teil des IX. Bezirks. An jenem Abend trank der hünenhafte Bandit in der Bar «Seherezádé» ganz in der Nähe der grossen Markthalle am Fövám Platz. Unerwartet betrat in Begleitung mehrerer Männer ein anderer berüchtigter Ganove das Lokal. Es handelte sich hierbei um Feri Göte, den verhassten Konkurrenten. Es war in der Szene bekannt, dass sich die beiden nicht ausstehen konnten. Was aber dann geschah, damit hatte niemand gerechnet.
Feri Göte ging wie eine Dampflokomotive auf Laczkó los und wollte sich mit ihm prügeln. Da erschien aber Onkel Mischka. So nannte Bandi Laczkó sein aufklappbares Taschenmesser, welches er im Sinne einer psychologischen Kriegsführung oft hervornahm, um seine Gegner einzuschüchtern – auch wenn er stets behauptete, Onkel Mischka wäre nur zum Speckschneiden da. Speck war in den 80er Jahren ein sehr beliebter Snack in Ungarn. Dieser Kampf der beiden Giganten sollte sich aber zu weitaus mehr als einer psychologischen Auseinandersetzung entwickeln. Laczkó stach mehrmals auf Göte ein und verletzte diesen so schwer, dass er fast starb. Das Leben von Göte wurde dadurch gerettet, dass sich noch ein weiterer Mann im Lokal befand. Der in Unterweltkreisen als Kuruzs bekannte Draufgänger schnappte sich einen Stuhl und prügelte damit den Messerstecher windelweich.
Wegen der Messerstecherei kam Bandi Laczkó für Jahre ins Gefängnis. Aber die Auseinandersetzung machte auch Göte zu schaffen, denn er brauchte eine lange Zeit, um sich von seinen schweren Verletzungen zu erholen. Nach diesem Kampf verloren beide Banditen den Grossteil ihrer Macht und ihres Ansehens. Sie waren keine hochrangigen Gangster mehr, wurden aber zu Legenden der ungarischen Unterwelt.
Damals war die Szene durch diesen blutigen Fight entsetzt. Es war zu dieser Zeit absolut unüblich, dass eine Abrechnung so brutal oder überhaupt mit Waffen ausgefochten wird. Wer hätte in den 1980er Jahren gedacht, dass schon ein Jahrzehnt später die Konflikte innerhalb der ungarischen Mafia mit Schusswaffen und durch Sprengstoffattentate ausgetragen werden?
Viele Jahre später
Der spätere Kleinkriminelle und Geldeintreiber Zoltán Bolya erzählt seine Memoiren im Buch «Ököljog» (deutsch: Faustrecht). Zwischen ihm und Bandi Laczkó soll es demnach in den 90er Jahren zu einem Aufeinandertreffen gekommen sein.
«Steig in deinen Wagen und hau ab, oder du verreckst, du Ratte!».
Zoltán Bolya
Angeblich bat ein Bekannter von Zoltán Bolya, der übrigens selbst Bodybuilder, gegen zwei Meter gross ist und in seinen besten Zeiten 130 Kilogramm wog, ihn um Hilfe. Der Bekannte war in einen Konflikt mit Laczkó Bandi geraten und musste ihn am Abend in einem Restaurant in der Telepes Strasse treffen. Bolya kannte dieses Restaurant bereits und bezeichnete es als ein typisches Lokal, das fast ausschliesslich von Sinti und Roma besucht wurde. Er rief Laczkó an, um das Treffen vorgängig zu besprechen, da er seinen Bekannten begleiten würde. Über Laczkó schreibt er: «Früher kannten wir uns nicht persönlich, nur vom Hörensagen. Er galt im Beruf als erfahren, in den 80er Jahren war er angesagt. Er sass viele Jahre, einst war sein Name in der Unterwelt anerkannt, aber zu diesem Zeitpunkt war er nicht mehr bedeutend».
Die beiden sprachen am Telefon respektvoll miteinander und vereinbarten, am Abend vor dem Restaurant lediglich eine Show abzuziehen, damit niemand sein Gesicht verliert. Gemäss Bolya fuhr Laczkó mit einem grossen Mercedes vor. Er beschreibt ihn als einen 1,90 grossen und mindestens 140 Kilo schweren tätowierten Roma. Dieser hielt sich aber nicht an ihre Vereinbarung und wollte den kleinen, etwa 60 Kilogramm leichten Bekannten von Bolya schwer verprügeln. Da auf der Terrasse etwa 20 Roma sassen und vermutlich zum Umfeld von Laczkó gehörten, wollte sich Bolya nicht auf einen Zweikampf einlassen. Er zog seine Pistole und bedrohte damit seinen Gegner. In diesem Moment fror buchstäblich die Luft ein. Nicht nur Laczkó erstarrte, sondern auch die Gäste des Restaurants. Bolya sagte: «Steig in deinen Wagen und hau ab, oder du verreckst, du Ratte!». Laczkó konnte nichts tun, so stieg er bis auf die Knochen blamiert in seinen Mercedes und verliess die Telepes Strasse mit quietschenden Reifen.
So die etwas verkürzte Erzählung aus dem Buch von Zoltán Bolya.
Ironie des Schicksals
Es kann wohl als Ironie des Schicksals bezeichnet werden, dass sich obige Szene ausgerechnet in jenem Restaurant ereignete, die von den Eltern meiner ehemaligen Klassenkameradin betrieben wurde. Wir besuchten zwei Jahre lang zusammen die Schule, die sich ebenfalls in der Telepes Strasse befindet. Dieses Mädchen und ich mochten uns aber nie besonders. Meine Zeit in dieser Schule war ohnehin hart. Das sozialistisch gestählte Lehrpersonal war nicht viel sanfter als die eingangs beschriebenen Gangster. Als «Zugezogener» blieb ich in den zwei Jahren stets ein Aussenseiter. Ich war froh, 1990 in die Schweiz zurückkehren zu dürfen.
Die Telepes Strasse im Jahr 1959. Dreissig Jahre später besuchte ich in der selben Strasse für zwei Jahre eine Schule. Es war eine harte Zeit. (Bildquelle: Fortepan)
Titelbild: Der Fövam Platz in Budapest, 1981 (Bildquelle: Fortepan)
Quellen:
András Dezsö: Maffiózók Mackónadrágban, 2019
Zoltán Bolya: Ököljog, 2021
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