Die Zeugin berichtet, dass sie im Jahr 1959 im sogenannten «Weissen Haus» von Budapest als Sekretärin arbeitete. Zu jener Zeit war dort das Innenministerium untergebracht, sagt sie. Die damals 19-Jährige brachte eines Abends einen Korb voll Papier in den Keller, um es zu schreddern. Die Wand um den riesigen Aktenvernichter war mit Blutspritzern bedeckt. Als sie am nächsten Tag ihrem Chef berichtete, meinte dieser energisch, sie solle ihre Nase nicht in Dinge stecken, die sie nichts angehen.

Das heute als Abgeordnetenbürohaus dienende Gebäude liegt direkt an der Donau, nahe der schönen Margareteninsel. Die offizielle Adresse lautet Jászai Mari Platz 1, aber die meisten Budapester nennen es schlichtweg das «Weisse Haus». Vor dem zweiten Weltkrieg fungierte die H-förmige Immobilie als Wohnhaus, wurde aber während der Bombardierung der Stadt schwer beschädigt. Nach dem Umbau 1947 – 1948 zog das Innenministerium in die Liegenschaft ein. Anfang der 1950-er Jahre wurde es zur Zentrale der gefürchteten ÁVH (Staatsschutzbehörde), die unter anderem für schreckliche Folterungen berüchtigt war. Die ÁVH blieb für zwei Jahre im Gebäude und genau während dieser Zeit betrieb die Behörde ihre landesweite Tätigkeit am intensivsten. Später übernahm die Nationale Polizeidirektion die Räumlichkeiten. Zwischen 1961 und 1989 arbeiteten hier die zentralen Departments der MSZMP (Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei).

Das Weisse Haus Anfang der 1950er Jahre, in der Mitte ein Bild des Diktators Mátyás Rákosi

So eine Menschenfleischhackmaschine gab es. Es gab einen Trichter von 140 – 150 Zentimeter Umfang, ein Ding mit hoher Leistungsfähigkeit. Über eine kleine separate Rutsche rein, hopp, und weg war er.

erinnert sich Gyula Pálfy

Bereits seit Anfang der 50er Jahre existierten Gerüchte, dass die ÁHV ihre zu Tode gefolterten Opfer in einem riesigen Fleischhacker zerstückelte und ihre Überreste über ein Rohr direkt in die Donau entsorgte. Fischer erzählten, dass an dieser Stelle der Donau der Fang besonders gut war. Dies konnte allerdings bis heute nicht bewiesen werden, und die Geschichte um den Menschenfleischzerhacker gilt offiziell als eine sogenannte «Urban Legend». Andere Legenden verorten die monströse Maschine ins einstige MDP Parteihaus, das am heutigen II. János Pál Pápa Platz steht. Fakt ist allerdings, dass durch die ÁHV viele Gräueltaten begangen wurden, die unzählige Todesopfer forderten. Nach der politischen Wende wurden während Sanierungsarbeiten in diversen Budapester Gebäuden eingemauerte Skelette gefunden.  Als weitere historische Tatsache kann angesehen werden, dass es im Keller des Weissen Hauses tatsächlich Gefängniszellen gab, denn die in den Gängen immer noch herumliegenden Gitter wurden Anfang der 1990er Jahre entdeckt.

Das berüchtigte Gebäude im Jahr 1956

Er ist nicht auf der Liste, er ist nirgendwo. Man tat ihn in den Menschenfleischzerhacker.

Irén Cserven, Budapest

Auch wenn die Geschichte heute als urbane Legende abgetan wird, sind einige Erinnerungen erhalten geblieben, welche die Existenz der Maschine bestätigen – andere Zeitzeugen behaupten wiederum das Gegenteil. Ein paar Aussagen möchte ich hier wiedergeben. Die Zitate stammen aus dem Buch «1001 historische Sagen»:

«Ich war nicht dort, aber ich weiss es von solchen, die es damals geprüft hatten. Nach dem Ausbruch der Revolution fand man den Fleischhacker, von dem ein Kanal in die Donau führte, im Parteihaus, dem späteren Weissen Haus. Dort gab es so einen Fleischhacker. Wer spurlos verschwand, der ging in die Donau. Das war so eine Menschenfleischhackmaschine, ein Mensch hatte darin Platz. Es gab einen Trichter von 140 – 150 Zentimeter Umfang, ein Ding mit hoher Leistungsfähigkeit. Über eine kleine separate Rutsche rein, hopp, und weg war er. Man hatte ihn nicht reingeworfen, sondern über die Rutsche eingelassen. Sie drückten einen Knopf und die Maschine ging los. So ein tunnelartiger Korridor führte in die Donau. Es verschwanden sehr viele Menschen, über die man nichts weiss, sie verschwanden eines Nachts und man hörte nie wieder von ihnen», erinnert sich Gyula Pálfy aus Kapoly.

«Saci sucht ihre Geschwister, ihre beiden Geschwister, denn es gibt eine Liste, wer hingerichtet wurde und auf dieser Liste sind ihre Geschwister nicht. (…) Sie taten ihn in den Menschenfleischzerhacker, sagt sie, im Gefängnis, in der Sammelstelle, egal in welches Gefängnis ich ging, nirgendwo habe ich ihn gefunden. Er ist nicht auf der Liste, er ist nirgendwo. Man tat ihn in den Menschenfleischzerhacker», so Irén Cserven aus Budapest

«Der Menschenfleischhacker ist eine Legende, davon ist nichts wahr. Ich war fast der letzte, der die Sammelstelle (Gefängnis) verliess, ich war mit Menschen zusammen, die viele Jahre absassen, die an vielen verschiedenen Orten waren, aber keiner sprach davon. Die Legende vom Donauufer ist – eine Legende», behauptet Géza Pásztor aus Budapest.

Im Jahr 2010 erzählte der pensionierte Elektroingenieur Zoltán J. Horváth, der zum Zeitpunkt des Interviews schon lange in der Schweiz lebte, gegenüber dem ungarischen Fernsehen, dass ihm sein Vorgesetzter in den 50er Jahren den Auftrag gab, einen Fleischhacker zu planen, mit dem man Tierkadaver vernichten kann.

Im Jahr 2004 wurde das Theaterstück “Fleischhacker” in Budapest uraufgeführt, in dem es um diese Geschichte geht.

Das Weisse Haus im Jahr 2015 (eigene Aufnahme)

Die vielleicht eindrücklichste Zeitzeugin kam in einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 1994 zu Wort. Selbst Jahrzehnte nach den angeblichen Ereignissen hatte sie noch grosse Angst und wagte es nur mit Perücke und mit dem Rücken zur Kamera zu sprechen. Gemäss ihrer Erzählung arbeitete sie im Jahr 1959 als Sekretärin im Weissen Haus. Da die damals 19-Jährige bereits Gerüchte über den Fleischhacker vernahm, arbeitete sie eines Tages unter einem Vorwand bis spät am Abend und stopfte einen Korb mit Papieren voll, um diese im Keller zu schreddern. Der Wache haltende Offizier fragte sie, warum sie das Papier runterbringe, zumal dies nicht ihre Aufgabe sei. Die junge Frau begründete die Ausnahme damit, dass es sich um Dokumente handle, die nicht von Drittpersonen gesehen werden sollten. Tief unter dem Gebäude fand sie den monströsen Schredder, der hauptsächlich aus Aluminium bestand. Als sie all die Blutspritzer an den Wänden rundherum entdeckte, war sie so erschrocken, dass sie aus dem Raum rennen musste. Da sie dieses Erlebnis nicht verarbeiten konnte, erzählte sie am nächsten Tag ihrem Vorgesetzten davon. Dieser warnte sie allerdings davor, ihre Nase in Angelegenheiten zu stecken, die sie nichts angingen. Da er das junge Mädchen mochte, legte er ihr ans Herz, nie wieder über den Fall zu sprechen.

Ich selbst wollte in den 2010-er Jahren meine damals über 80jährige Verwandte in Budapest zum Thema Fleischhacker befragen. Doch sie flüsterte nur leise:

«Ja, die Maschine gab es».

 Mehr wollte sie dazu nicht sagen.

Zeitzeugin erzählt 1994 über den Menschenfleischzerhacker im Weissen Haus (Ungarisch).

Anmerkung: Während den Recherchen fiel mir auf, dass sich diverse Quellen darin widersprechen, wann welche Instanz im Weissen Haus untergebracht war.

Quellen:

Jászai Mari tér 1. – Budapest100

Napi merítés: Létezett-e az ÁVH-s emberhúsdaráló? | hvg.hu

Az emberhúsdaráló legendája | Urban Legends

A húsdaráló | Budapest XII. ker. Hegyvidék Önkormányzata Művelődési Központ (port.hu)

Emberdaráló – Wikipédia (wikipedia.org)

Tényleg létezhetett az ÁVH-s húsdaráló (tortenelemportal.hu)